Koordinierungsrat gegen Antisemitismus fordert neuen, regelmäßigen Antisemitismus-Bericht der Bundesregierung
Post date: Sep 4, 2014 10:41:37 AM
Der Koordinierungsrat fordert vor dem Hintergrund der zunehmenden antisemitischen Agitation in Deutschland einen regelmäßigen Bericht der Bundesregierung an den Bundestag zur wirksameren Antisemitismusbekämpfung.
Der Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus - ein überparteilicher Zusammenschluss von 23 Vereinigungen, Organisationsvertretern und Personen, die in der Antisemitismusbekämpfung engagiert sind (website: http://www.koordinierungsrat.org) - fordert in einem Schreiben an die Bundesregierung und den Bundestag (siehe Anhang) einen regelmäßigen Bericht der Bundesregierung zur Antisemitismusentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Dem Koordinierungsrat gehören Christen, Juden, Muslime, Aleviten, Bahai und Menschen mit anderer oder keiner Glaubenszugehörigkeit an.
Seit der Veröffentlichung des Berichts zur Antisemitismusbekämpfung im Jahr 2011 ist in vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland, eine starke Zunahme antisemitischer und israelfeindlicher Strömungen festzustellen, was in den letzten Wochen auch die antisemitische Agitation auf vielen Demonstrationen in Deutschland und Europa gezeigt hat. Umfragen zeigen, dass in Deutschland konstant über ein Viertel der Bevölkerung antisemitische Positionen vertritt. Noch immer müssen jüdische Einrichtungen auch in Deutschland kontinuierlich von Sicherheitskräften geschützt werden. Der Antisemitismus zeigt sich für jeden erkennbar in physischen Attacken gegen jüdische Einwohner, in Hassreden gegen die Juden und gegen das jüdische Israel, wie sie in zunehmenden Umfang insbesondere in Massendemonstrationen in unseren Städten zu erleben sind, in der Beschädigung von Sachwerten, in antisemitischen Graffiti-Schmierereien und immer wieder in landesweiten Friedhofsschändungen. Die Zahl der antisemitischen Straftaten wächst dabei nicht nur bei Rechtsextremen, sondern auch in anderen Bevölkerungsteilen. Eine neue Studie, bei der über 6.000 Jüdinnen und Juden in 9 EU-Staaten befragt wurden, weist nach, dass in vielen jüdischen Gemeinden die Furcht vor antisemitischen Anfeindungen und Gewalttätigkeiten wächst. Diese Furcht führt zu einer zunehmenden Emigrationsbereitschaft, beispielsweise aus Frankreich nach Israel. Die Bedrohungslage in Europa hängt u. a. mit der Radikalisierung und Expansion terroristischer islamistischer und zugleich antisemitischer Kräfte im Nahen Osten zusammen, wie der Mordanschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel zeigt.
Wie aktuelle Berichte belegen, sind zu den traditionellen europäischen Formen der Judenfeindschaft weitere, in Deutschland und Europa wirkende Varianten getreten, die einer gezielten Untersuchung und Bekämpfung bedürfen. Wichtig ist es dabei, die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung verschiedener islamistischer Antisemitismusformen und der immer noch wahrzunehmenden Nachwirkungen der weit verbreiteten antisemitischen Propaganda Hitlerdeutschlands aufzuklären.
Der Antisemitismusbericht von 2011 war eine wichtige Maßnahme zur wirksameren Bekämpfung von Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland und ein erster, bedeutender Schritt zur genaueren Beobachtung und Analyse von aktueller Judenfeindschaft in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Ein derartiger Bericht sollte nicht lediglich einmal in einer Legislaturperiode, sondern in einem regelmäßigen Rhythmus z.B. von zwei Jahren vorgelegt werden. Ein neuer und regelmäßiger Antisemitismusbericht der Bundesregierung ist dringend notwendig. Er sollte die Ergebnisse der neuesten Forschung und der aktuellen Untersuchungen berücksichtigen, dem Deutschen Bundestag über Erfolge und Misserfolge in der Bekämpfung von Antisemitismus (rechts, links und in der Mitte der Gesellschaft) berichten sowie Handlungsvorschläge für die nationale und die europäische Ebene unterbreiten. Der regelmäßige Bericht an den Bundestag sollte durch die Bundesregierung, vor allem in ihrer Verantwortung für die Handlungsvorschläge, erfolgen. Selbstverständlich kann und sollte sie sich dabei auch externen Sachverstands aus der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft bedienen.